Universal González

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Spiegeleffekte im Lack von Susanne Messmer

Was tun, wenn wir große Gefühle aufzubringen gewillt sind, gewisse Postkartenmotive aber immer schon vorher da sind? Es hilft nichts. Wir haben keine andere Wahl, als die Spiegeleffekte des Lacks zu genießen. “Im Sportcoupé vor ihrem Haus, sie tauschen ihre Nummern aus.” Ziemlich geschraubt kommt das. Aber auch chic, theatralisch mondän. Das Hamburger Projekt Universal Gonzáles knüpft mit seiner gleichnamigen Debütplatte (Trikont/Vertrieb: Efa) an die Geste des französischen Kinos vor 40 Jahren an. Wie sie da auf dem Cover-Foto steht, die Chanteuse der Band, Claudia Gonzáles, unbeteiligt, verschlossen, vor einer kalten Marmorwand und in einem Hauch von einer Bluse, fröstelnd und frösteln machend zugleich, das sagt einiges – ebenso wie die Tatsache, dass sie einen berühmten Bruder hat: Rod Gonzáles, jenes dritte Rad am Tandem Die Ärzte. Wie eine Außenseiterin wirkt auch diese Frau, die sich zwar mit einer marxistischen Vergangenheit in der Hafenstraße schmückt, aber gleichzeitig ausstrahlt, dass sie, die in Deutschland aufgewachsene Tochter politischer Flüchtlinge aus Chile, von ganz woanders kommt.

Das hat auch Jacques Palminger gespürt, als er Musik und Texte für Universal Gonzáles geschrieben hat. Als Busenfreund von Sänger Rocko Schamoni, dem Dandy des Hamburger Undergrounds, muss sein Projekt als Produkt einer neuen Unzufriedenheit in dieser Szene betrachtet werden. Man hat die Nase voll von schlecht verkäuflichem Dilettantismus, der zwangsläufig entsteht, wenn man nicht arbeiten will, aber auch nicht singen kann. So bewegt sich Universal Gonzáles mit einer schönen Schaukelbewegung zwischen in und out: Der Kenner Palminger bringt der Welt die Kunde von der Szene – damit selbst Lohnabhängige aus Wuppertal mitreden können. Zugleich bringt Claudia Gonzáles der Szene den Glitzer der Fremde.

Sanft fügt sich das witzige Cover eines Chansons von Serge Gainsbourg und die verstörende Interpretation eines Stücks vom Opa der Industrial-Musik, Genesis P. Orridge, ins Ganze. Immer wieder schleichen sich in die kühle, tiefe Stimme von Claudia Gonzáles nette Unsicherheiten. Das Spiel mit Samba- und Bossa-Nova-Rhythmen wird von einem sympathisch schüchternen Klavier aufgefangen. Die Postkartenparadiese zerreißen, und darunter erscheinen weitere wunderschöne Klischees: Bilder des Leids wie das vom inhaftierten Mörder, der sich lebenslänglich in seinen Tätowierer verliebt. Auch Traurigkeit erscheint bei Universal Gonzáles irreal und etwas abgewetzt.

Seltsam, wie sie trotzdem funkelt.

(c) DIE ZEIT, 26/2001

http://www.zeit.de/2001/26/Spiegeleffekte_im_Lack


Musikvideo “Wien” (2007)
Regie: Sönke Held
Kamera: Lilli Thalgott
Schnitt: Ann-Kathrin Koch und Sönke Held
Styling: Claudia González
Produktionsleitung: Silvia Palmigiano
Produzent: Sönke Held

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